Anhaltende Schmerzen ohne organischen Erklärung sind unabhängig von der Diagnose (somatoforme Schmerzstörung, chronifiziertes Schmerzsyndrom, Fibromyalgie) im Funktionssystem Gehirn einschließlich Psyche zu erfassen. Eine Doppelbewertung der damit verbundenen schmerzbedingten Funktionseinschränkungen in den Funktionssystemen Rumpf, Beine und Arme ist unzulässig.
Die Klägerin begehrt die Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) von 50.
Die im Juni 1960 geborene Klägerin beantragte am 16. Juni 2008 beim Beklagten die Feststellung von Behinderungen wegen folgender Erkrankungen: Schwerhörigkeit beidseits, chronische Schmerzkrankheit, Polyarthrosen, Fersensporn, Einschränkungen des Bewegungsapparates, Ischialgien, Asthma bronchiale, Gebärmutterentfernung. Im Verwaltungsverfahren lag die Epikrise der Klinik B. W. vom 20. Dezember 2005 vor, mit der ein sensibles Reizsyndrom C7 links nach einem im Jahr 2005 erlittenen Verkehrsunfall sowie eine somatoforme Schmerzstörung (Differenzialdiagnose Fibromyalgie) diagnostiziert worden waren. Nach dem Bericht des J.-Krankenhauses T. vom 8. August 2006 leide die Klägerin an Fibromyalgie mit somatoformer Schmerzstörung und einem depressiven Syndrom. Am 1. Februar 2007 hatte die Fachärztin für Anästhesiologie Dr. T. (W.-krankenhaus B. D.) über einen chronifizierten Rückenschmerz bei degenerativer Wirbelsäulenveränderung, Übergewicht und mangelnder sportlicher Betätigung berichtet. Begleitend liege erschwerend eine somatoforme Schmerzstörung vor. Nach dem Arztbrief des Städtischen Klinikums D. vom 5. April 2007 sei im März 2007 die Hysterektomie erfolgt. Der Beklagte zog außerdem das für den Rentenversicherungsträger erstattete Gutachten des Dr. M., Chefarzt der Rehabilitationsklinik B. S., vom 16. Februar 2007 bei. Danach hätten sich nur geringe Funktionseinschränkungen im Wirbelsäulenbereich bzw. im Bereich der oberen und unteren Extremitäten gezeigt, so dass von orthopädischer Seite keine wesentliche Einschränkung resultiere. Zum orthopädischen Befund hatte er festgestellt: Flüssiges Gangbild ohne orthopädische Hilfsmittel; Halswirbelsäule (HWS): Rotation 50/0/75 Grad nach der Neutral-Null-Methode; Lendenwirbelsäule (LWS): Fingerbodenabstand (FBA) 10 cm, Schober 10/14,5 cm, Ott 30/33 cm; obere Extremitäten: alle Gelenke frei beweglich; Hüftgelenke: Extension/Flexion 0/0/130 Grad beidseits; Kniegelenke Extension/Flexion 0/0/140 Grad. Neurologische Einschränkungen lägen nicht vor. Es bestünden aber deutliche Hinweise für einen psychosomatischen Symptomenkomplex. Nach dem ebenfalls im Rentenverfahren eingeholten Gutachten des Facharztes für Neurologie/Psychiatrie/Naturheilverfahren Dr. S. vom 27. Juni 2007 leide die Klägerin an einer anhaltenden somatoforme Schmerzstörung. Für die geltend gemachten Schmerzbeschwerden habe sich kein Korrelat finden lassen. Die LWS sei frei beweglich gewesen. Es hätten sich weder klinisch noch paraklinisch Hinweise für eine Irritation des peripheren oder zentralen Nervensystems gefunden. Die Teilhabemöglichkeiten am Leben bzw. die psychischen Freiheitsgrade der Klägerin seien nicht derart hochgradig eingeengt, dass sie nicht für mindestens sechs Stunden und mehr einer beruflichen Tätigkeit nachgehen könne. Weiterhin lag im Verwaltungsverfahren der Reha-Entlassungsbericht B. S. über den stationären Aufenthalt vom 12. März bis 9. April 2008 mit folgenden Diagnosen vor: Anhaltende somatoforme Schmerzstörung, rezidivierende Cervicobrachialgie beidseits ohne radikuläre Defizite, beginnende Coxarthrose beidseits, Asthma bronchiale, Hallux rigidus rechts. Folgende Befunde waren erhoben worden: Flüssiges Gangbild, sichere Beweglichkeit in beiden oberen und unteren Extremitäten, mäßige Haltungsschwäche im Stehen; HWS: Seitneigung rechts/links 30/0/30 Grad, Rotation rechts/links 50/0/70 Grad; LWS: Seitneigung rechts/links 30/0/30 Grad, Rotation rechts/links 45/0/45 Grad, FBA 10 cm; Kniegelenke frei beweglich; Hüftgelenke beidseits Extension/Flexion 0/0/130 Grad. Schließlich lag der Arztbrief des Facharztes für HNO-Heilkunde Dipl.-Med. M. einschließlich des Ton- und Sprachaudiogramms vom 29. Mai 2008 vor. Danach leide die Klägerin an einer beidseitigen Innenohrschwerhörigkeit.
In Auswertung dieser Unterlagen schlug der beteiligte ärztliche Dienst des Beklagten (Dr. H.) für die somatoforme Schmerzstörung/chronifiziertes Schmerzsyndrom und die Hörbehinderung jeweils einen GdB von 20 sowie einen Gesamt-GdB von 30 vor. Dem folgend stellte der Beklagte mit Bescheid vom 23. Juli 2008 bei der Klägerin einen GdB von 30 fest. Dagegen erhob die Klägerin am 18. August 2008 Widerspruch und trug im Wesentlichen vor: Sie habe krankheitsbedingt erneut ihre Arbeitszeit reduzieren müssen (von sechs auf fünf). Außerdem leide sie an Depressionen. Im Übrigen seien die Beschwerden der Wirbelsäule gar nicht berücksichtigt worden. Sie übersandte ein Gutachten des MDK vom 7. November 2008. Danach leide die Klägerin an einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung mit einer zunehmende Antriebs- und Interessenlosigkeit bei starkem Insuffizienzerleben und deutlichen Selbstwertzweifeln. Der Schlaf sei unzureichend und die Schlafqualität eingeschränkt. Es fehle eine Tagesstrukturierung und eine zureichende psychische Belastbarkeit.
Im Widerspruchsverfahren lag der Befundschein der Fachärztin für Innere Medizin Dipl.-Med. K. vom Dezember 2008 vor, die eine psychosomatische Depression mit Angstzuständen, Panikattacken und Schlafstörungen diagnostizierte. In Zusammenhang mit der somatoformen Störung bestünden abdominelle Beschwerden, Nahrungsunverträglichkeiten und Rückenschmerzen. Die Diagnose der Fibromyalgie sei 2006 gestellt worden. Der beteiligte ärztliche Dienst des Beklagten (Dr. R.) schlug daraufhin für die somatoforme Schmerzstörung, psychische Gesundheitsstörung und Fibromyalgiesyndrom einen GdB von 40, die Hörbehinderung einen GdB von 20 und einen Gesamt-GdB von 40 vor. Dem folgend stellte der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 4. März 2009 unter Abänderung des Bescheides vom 23. Juli 2008 einen GdB von 40 fest.
Dagegen hat die Klägerin am 9. März 2009 Klage beim Sozialgericht (SG) Dessau-Roßlau erhoben und zur Begründung ausgeführt: Sie leide an zahlreichen orthopädischen Erkrankungen, die sich progredient verschlechterten und eine gesonderte Bewertung rechtfertigten. Dazu hat sie einen durch den Facharzt für Orthopädie/Chirotherapie/physikalische Therapie Dr. A. am 2. Dezember 2008 erstellten Behandlungsausdruck über den Behandlungszeitraum seit 1992 übersandt. Dort finden sich wiederholt die Diagnosen psychosomatisches Syndrom, Fibromyalgiesyndrom, Cervicalsyndrom, Epicondylites des Ellenbogens, Schulter-Arm-Syndrom. Im Jahr 2008 wurde eine freie Schultergelenksbeweglichkeit diagnostiziert und in Bezug auf die Wirbelsäule lediglich eine geringe Einschränkung der Brustwirbelsäulenbeweglichkeit (beim Aufrichten) dokumentiert.
Das SG hat einen Befundbericht von Dipl.-Med. K. vom 6. Mai 2009 eingeholt, die ihre Diagnosen und Befunde aus dem Verwaltungsverfahren wiederholt hat. Als Anlage hat sie einen Arztbrief der Fachärztin für Psychiatrie/Psychotherapie und Neurologie Dipl.-Med. S. vom 6. April 2009 übersandt, die eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung diagnostiziert hatte. Der Beklagte hat in Auswertung dieser Unterlagen an seiner Bewertung festgehalten und ausgeführt, objektivierbare Funktionsminderungen der Wirbelsäule und der Gelenke hätten sich in keinem Befundbericht gefunden. Die Gebärmutterentfernung rechtfertige keinen zusätzlichen GdB.
Außerdem hat das SG die Rentenverfahrensakte der Klägerin (S 1 R 373/08) mit dem Gutachten des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. M. vom 12. Oktober 2009 beigezogen. Folgenden orthopädischen Untersuchungsbefund hatte der Arzt dokumentiert: Freie Spontanbeweglichkeit des gesamten Bewegungsapparates, im Bereich der Brustwirbelsäule (BWS) und der unteren LWS leichte Klopfschmerzangabe, aber an der gesamten Wirbelsäule keine funktionellen bedeutsamen Funktionseinschränkungen (FBA 5 cm, Schober 10/15 cm, Ott 30/34 cm). Die Schulter-, Ellenbogen-, Hand- und Fingergelenke seien frei beweglich. Auch die Hüft-, Knie-, Fuß- und Zehengelenke seien in Kraft und Beweglichkeit nicht beeinträchtigt gewesen. Insgesamt hätten sich keine wesentlichen Einschränkungen gefunden, welche die subjektiven Beschwerden der Klägerin in dem von ihr vorgebrachten Ausmaß hinlänglich erklären könnten. Es sei von einer psychischen Überlagerung im Sinne einer somatoformen Störung auszugehen. Außerdem hatte der Sachverständige folgende Erkrankungen festgestellt: Angst und eine depressive Störung, atypischer Gesichtsschmerz, degenerative Verschleißerscheinungen in Wirbelsäule und Gelenken, eine Hörminderung beidseits mit grundsätzlich erhaltender Kommunikationsfähigkeit sowie eine Neigung zu Magenbeschwerden. Der berichtete Gesichtsschmerz sei nach Ausdehnung, geschildertem Auslöser sowie Schmerzcharakteristik untypisch für eine Trigeminusneuralgie. Während der Untersuchung seien auch keine typischen Schmerzattacken zu beobachten gewesen. Es sei möglich, dass es sich auch hierbei um ein Schmerzsyndrom der somatoformen Schmerzstörung handele. Nervenwurzelreizerscheinungen seien bis heute nicht nachweisbar und seien auch nicht von der Klägerin in typischer Weise berichtet worden. Die Bandscheibenvorwölbung an der HWS wirke sich klinisch nicht aus. Die gemischte Angst und die depressive Störung seien eher leicht einzustufen. Trotz der bestehenden Erkrankung sei die Klägerin in der Lage, in gewisser Regelmäßigkeit einer Erwerbstätigkeit nachzugehen.
Die Klägerin hat das ebenfalls im Rentenverfahren erstellte nervenärztliche Gutachten des Dr. K. (Nervenarzt, Facharzt für Psychotherapeutische Medizin) vom 4. Januar 2011 vorgelegt. Dieser hatte als orthopädischen Befund lediglich einen FBA von 5 cm angegeben und folgende Diagnosen gestellt: Fibromyalgiesyndrom, anhaltende somatoforme Schmerzstörung, Angst und depressive Störung gemischt, Ein- und Durchschlafstörung, atypischer Gesichtsschmerz, Lumboischialgie beidseits, Cervicobrachialsyndrom, Migräne, Spannungskopfschmerz, Innenohrschwerhörigkeit beidseits, rezidivierende Gastritis und Refluxösophagitis, somatoforme Störung im Bereich des Gastrointestinaltraktes und der Kreislauforgane sowie kognitive Leistungsstörung. Die Schmerzsituation werde durch die depressive Störung verschlimmert und intensiver wahrgenommen, was wiederum zur Aufrechterhaltung und Verschlimmerung der Depression führe. Insgesamt könne die Klägerin nur noch weniger als sechs Stunden täglich arbeiten. Die depressive Störung mit Rückzugstendenzen und Vermeidung von sozialen Kontakten erschwere es, auch an Wochenenden oder zu Urlaubszeiten einen Ausgleich zu finden. Kompensationsmöglichkeiten ihrer Erkrankung durch frühere Hobbys bestünden nicht mehr. In der Anlage hat sich das testpsychologische Zusatzgutachten des Dipl.-Psychologen K. vom 17. Juni 2010 befunden. Dieser hatte deutliche Defizite in dem Bereich des verbalen Gedächtnisses und des klaren, logischen Schlussfolgerns festgestellt. Auch die Auffassung, die Reaktion, die Konzentration und die Daueraufmerksamkeit hätten deutliche Defizite aufgewiesen und lägen weit unter dem von der Klägerin erwarteten Niveau. Außerdem bestehe eine pathogene Persönlichkeitsakzentuierung, die zu einem nicht unwesentlichen Anteil zum bestehenden Beschwerdebild beitrage.
Weiterhin hat die Klägerin den Reha-Entlassungsbericht B. S. vom 11. März 2011 mit den folgenden Diagnosen vorgelegt: sensibles-C6-Syndrom links bei Bandscheibenvorfall, LWS-Syndrom, Asthma Bronchiale, rezidivierende depressive Episoden. Folgender orthopädischer Befund war erhoben worden: HWS: Seitneige 30/0/30 Grad, Rotation 60/0/60 Grad, BWS/LWS: FBA 10 cm, Schober 10/14 cm, Seitneige 30/0/30 Grad, Rotation 30/0/30 Grad; obere Extremitäten alle frei und schmerzlos beweglich; Hüftgelenke: beidseits Extension/Flexion 0/0/110 Grad; Kniegelenke: Extension/Flexion 0/0/140 Grad. Die Stimmungslage sei depressiv. Bei der Abschlussuntersuchung habe eine Großzehen- und Fußheberschwäche links festgestellt werden können.
Der Beklagte hat unter Bezugnahme auf die prüfärztliche Stellungnahme der Ärztin S.-S. vom 26. April 2011 vorgetragen, hinsichtlich des Wirbelsäulenleidens lasse sich keine dauerhaft bestehende Behinderung ableiten. Hinsichtlich der im März 2011 erstmals dokumentieren Fußheberschwäche bleibe der Verlauf abzuwarten.
Schließlich hat die Klägerin den Entlassungsbericht der S. Kliniken S. vom 8. September 2011 über den stationären Aufenthalt vom 29. August bis 8. September 2011 vorgelegt. Danach sei die Behandlung wegen anhaltender, therapieresistenter und zunehmend generalisierter Schmerzsymptomatik erfolgt. In Zusammenschau der klinischen und apparativen Untersuchungen sei die Beschwerdesymptomatik bei leichtgradigen morphologischen Veränderungen multifaktoriell bedingt. Folgende Befunde waren erhoben worden: HWS: Rotation 60/0/60 Grad, Seitneige 20/0/10 Grad; BWS: Rotation 20/0/20 Grad; LWS: FBA 0, Schober 10/13 Seitneigung 10/0/10 Grad; Hüftgelenke: Extension/Flexion beidseits 0/0/120 Grad; Kniegelenke: Extension/Flexion beidseits 0/0/130 Grad; Schultergelenks-, Ellenbogen- und Handgelenksbeweglichkeit unauffällig. Die leichtgradigen morphologischen Veränderungen im Bereich der LWS, die Bandscheibenveränderungen im Bereich der HWS und die leichte Neuroforamenstenose seien ohne entsprechende neurologische Symptomatik. Doch hätten sich deutlich funktionelle Befunde mit einer Insuffizienz der Tiefenstabilisation, generalisierten Koordinationsstörungen, muskulärer insuffizienter Stabilisierung der Lenden-Becken-Hüft-Region sowie eine Überbelastung der Schulter-Nacken-Region mit Triggerpunktbildung gezeigt. Es sei von einer vegetativen Dysregulation auszugehen. Die Schmerzschwelle erscheine gemindert. Es zeigten sich bedeutsame psychosoziale Einflussfaktoren (abgelehnter Rentenantrag, Stress aufgrund der beruflichen Tätigkeit) auf die Gesamtbeschwerdesymptomatik. Die Behandelbarkeit sei wegen laufendender Rechtsstreitigkeiten eingeschränkt gewesen, sodass eine Fortführung als nicht sinnvoll erachtet wurde.
In Auswertung der Befunde hat der Beklagte auf die Stellungnahme seiner Versorgungsärztin S.-S. vom 17. Oktober 2011 verwiesen, wonach für das Wirbelsäulenleiden nunmehr ein GdB von 10 vorgeschlagen werde. Die im März 2011 dokumentiere Fußheberschwäche links habe im August 2011 nicht mehr bestanden, sodass diesbezüglich keine Bewertung erfolge.
Mit Gerichtsbescheid vom 28. Februar 2012 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die psychische Gesundheitsstörung, verbunden mit einer somatoformen Schmerzstörung, sei mit einem Einzel-GdB von 40 zu bewerten. Es handele sich um eine komplexe Symptomatik, wobei sich ängstlich-depressive Beschwerden mit einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung kombinierten. Die anhaltenden Rückenbeschwerden und der atypische Gesichtsschmerz seien als Ausdruck der somatoformen Schmerzstörung zu berücksichtigen. Für das Wirbelsäulenleiden sei kein GdB festzustellen. Zwar liege ein Bandscheibenvorfall vor, jedoch sei eine Wurzelläsion ausgeschlossen worden. Die Hörminderung sei mit einem GdB von 20 und die Migräne mit einem GdB von 10 zu bewerten. Insgesamt ergebe sich ein GdB von 40.
Gegen das ihr am 5. März 2012 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 30. März 2012 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt eingelegt und vorgetragen: Auch nach ihrer Ansicht sei die seelische Erkrankung in Verbindung mit der chronischen Schmerzerkrankung in Form eines Fibromyalgie-Syndroms mit einem Einzel- GdB von 40 angemessen bewertet. Auch seien die Bewertungen der Hörminderung mit einem GdB von 20 und der Migräne-Erkrankung mit 10 zu Recht erfolgt. Allerdings seien die orthopädischen Erkrankungen höher zu bewerten. Sie leide an degenerativen Veränderungen, die sich in funktionellen Beschwerden mit Insuffizienz, Koordinationsstörungen und auch Paraesthesien zeigten. Im Übrigen könne bereits unter Berücksichtigung des Einzel-GdB von 40 für die seelische Erkrankung und der Hörminderung von 20 die Schwerbehinderteneigenschaft festgestellt werden. Zur Unterstützung ihres Vortrages hat sie die ergänzende Stellungnahme des Dr. K. vom 30. Juni 2011 vorgelegt. Nach dem ebenfalls übersandten Arztbrief des Instituts für Pathologie vom 29. Mai 2012 liege bei ihr eine geringe chronische Gastritis vor.
Die Klägerin beantragt nach ihrem schriftlichen Vorbringen,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 28. Februar 2012 aufzuheben, den Bescheid des Beklagten vom 23. Juli 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. März 2009 abzuändern und den Beklagten zu verpflichten, bei ihr ab 16. Juni 2008 einen GdB von 50 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte hält an seiner Auffassung fest und verweist auf die orthopädischen Befunde. Danach seien die Motorik und Sensibilität intakt, die Muskeleigenreflexe seien seitengleich auslösbar gewesen. Die leichtgradigen Veränderungen im Bereich der LWS hätten zur keiner neurologischen Symptomatik geführt. Ein höherer GdB als 10 sei danach nicht festzustellen. Die geringere chronische Gastritis rechtfertige maximal einen GdB von 10, habe aber keine Auswirkungen auf den Gesamt-GdB.
Der Senat hat zunächst Befundberichte der behandelnden Ärzte der Klägerin eingeholt. Der Neurochirurg A. M. hat am 9. Oktober 2012 einen Bandscheibenvorfall im Bereich C 5/6, eine Neuroforamenstenose im Bereich L 4/5 beidseits sowie eine Spondylosis deformans im Bereich HWK 5/6 diagnostiziert und folgende Bewegungsmaße mitgeteilt: HWS: Rotation 60/0/60 Grad, Seitneigung 20/0/10 Grad; LWS: Seitneigung rechts/links 10/0/10 Grad, Schober 10/13, FBA 0 cm. Außerdem hat er seit Ende 2010 über verstärkte Schmerzen im HWS-Bereich mit Ausstrahlung in beide Arme berichtet. Dadurch sei ein Kraftverlust der linken Hand eingetreten und es komme zum Kribbeln in beiden Händen. Die Trigeminusneuralgie führe zu kurzzeitigen Schmerzen der rechten Gesichtshälfte. Darüber hinaus habe die Klägerin Dauerschmerzen im LWS-Bereich mit Ausstrahlung in beide Beine. Insgesamt sei der Gesundheitszustand unverändert. Nach dem beigelegten MRT der HWS vom 5. März 2012 lägen eine leichte breitbasige Bandscheibenvorwölbung (HWK 5 bis 6) und zarte dorsale osteophyte Anbauten (ebenfalls Bereich HWK 5/6) vor. Die Neuroforamina sei nicht eingeengt. Der Facharzt für Orthopädie/Chirotherapie und Physikalische Therapie Dr. A. hat mit Befundbericht vom 9. Oktober 2012 über ein chronisches generalisiertes Schmerzsyndrom berichtet, jedoch ohne neurologische Ausfälle und mit einer normalen altersentsprechenden Beweglichkeit. Auch die degenerativen Veränderungen an HWS und LWS seien nach seiner Ansicht altersentsprechend. Funktionseinschränkungen bestünden nicht. In Anlage hat er den Arztbrief des Facharztes für Neurologie Dr. F. vom 12. März 2012 übersandt, wonach die Klägerin an einer schweren chronifizierten somatoformen Schmerzstörung leide. Bei der Untersuchung sei die Beweglichkeit des Kopfes frei gewesen, die Motorik habe keine Paresen gezeigt. In unterschiedlichen Untersuchungssituationen und je nach Beanspruchung und Ablenkung habe die Klägerin unterschiedliche Kraftminderungsgrade angegeben. Die Arme würden ohne Probleme bis zum Moment der Erinnerung an die chronischen Schmerzen in allen Ebenen gegen Widerstand bewegt. Insgesamt sei von einem beschwerdefixierten und demonstrativen Verhalten auszugehen. Die Diplom-Psychologin K. hat mit Befundbericht vom 29. Oktober 2012 eine mittelgradige depressive Episode sowie Fibromyalgie festgestellt und ausgeführt: Die Klägerin könne an Tagen mit Antriebsstörungen Tätigkeiten nicht ausführen, keine längeren Gespräche folgen und Treffen nicht wahrnehmen und sei darüber hinaus in ihrer Konzentration beim Lesen beeinträchtigt. Die Fachärztin für Innere Medizin Dipl.-Med. K. hat mit Befundbericht vom 21. November 2012 eine psychosomatische Depression, einen Haltungsschaden mit muskulärer Insuffizienz, eine Vorwölbung im Bereich HWK 5/6 und eine Innenohrschwerhörigkeit diagnostiziert.
Der Senat hat die Rentenversicherungsakte der Klägerin mit der ergänzenden nervenärztlichen Stellungnahme des Dr. M. vom 7. April 2011 eingeholt. Danach ergäben sich auch nach dem Gutachten von Dr. K. aufgrund der degenerativen Verschleißerscheinungen am Bewegungsapparat keine Funktionsstörungen oder neurologischen Störungen. Außerdem hat der Senat aus der Rentenakte das Schreiben des C. Verband für das B. M. e. V. vom 2. August 2012 beigezogen, wonach das Arbeitsverhältnis der Klägerin als Sozialarbeiterin im C.- sekretariat ab dem 1. Juli 1997 von 40 auf 30 und ab 1. Juli 2008 auf 25 Stunden reduziert worden war. Maßgebend dafür seien die krankheitsbedingten Fehlzeiten gewesen.
Auf Antrag der Klägerin hat schließlich der Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. N. das Gutachten vom 24. März 2014 nach § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) nach Untersuchung der Klägerin am 20. Februar 2014 erstattet. Der Sachverständige hat folgende Diagnosen gestellt und diese bewertet: Tinnitus (GdB 10), Trigeminusneuralgie (GdB 10), degeneratives HWS-Syndrom mit Uncovertebralarthorsen (GdB 10), Osteochondrose C 5/6 (GdB 10), Omarthrose beidseits (GdB 10), Impingementsyndrom Schulter beidseits (GdB 10), Humeruskopfhochstand beidseits (GdB 10), Epicondylitis humeri radialis beidseits (GdB 10), Carpaltunnelsyndrom (GdB 10), Rundrücken als Haltungsschaden (GdB 10), degeneratives LWS-Syndrom mit Spondylarthrosen (GdB 20), Osteochondrose L 3/4 (GdB 10), Coxarthrose beidseits (GdB 20), DISH-Syndrom (GdB 30), Gonarthrose medial beidseits (GdB 20), Retropatellararthrose beidseits (GdB 10), Großzehengelenksarthrose beidseits (GdB 10), Hallux rigidus beidseits (GdB 10), pes planovalgus beidseits (GdB 10), Hallus valgus beidseits (GdB 10), Bursitis trochanterica beidseits (GdB 10), Achillodynie rechts (GdB 10), chronifiziertes Schmerzsyndrom nach Gerbershagen Stadium 3 (GdB 30), Fibromyalgiesyndrom (GdB 40), chronisches Myalgien GdB (20), Colitis ulcerosa (GdB 20), chronische Gastritis (GdB 10), Verdacht auf Colitis-assoziierte Polyarthritis (GdB 30), Gewichtszunahme seit Einnahme von Antidepressiva (GdB 0), Asthma bronchiale (GdB 10), Hashimoto Thyreoiditis (GdB 10), Hörminderung beidseits (GdB 10), depressives Syndrom (GdB 20), rezidivierende Pyelonephritis (GdB 10). Insgesamt hat er für die Funktionssysteme folgende Behinderungsgrade vorgeschlagen: Ohren 10, Arme 20, Rumpf 40, Beine 20. Ohne weitere Begründung hat er einen Gesamt-GdB von 50 angenommen und ebenfalls ohne weitere Begründung ausgeführt, dies treffe unverändert seit dem 16. Juni 2008 zu. Im Vordergrund stünden das generalisierte Fibromyalgie-Syndrom und ein DISH-Syndrom, welches wechselnde Beschwerden am gesamten Bewegungsapparat erkläre. Zusätzlich bestünde durch die Osteochondrose der HWS eine eingeschränkte Beweglichkeit und Funktion (Rotation: links/rechts 1/3/0/1/3, Seitneigung links/rechts 1/3/0/2/3), die Omarthrose beidseits eine eingeschränkter Beweglichkeit und Funktion (Anteversion rechte Schulter: 70 Grad, linke Schulter 150 Grad). Auch durch die Osteochondrose der unteren LWS und ausgeprägte Spondylarthrosen seien die Funktion und Beweglichkeit eingeschränkt (Seitneigung rechts/links 25/0/25 Grad, Rotation links/rechts 30/0/30 Grad, keine Ausstrahlung in untere Extremität, keine Paraesthesien). Durch die Gon- und Retropatellararthrose (Extension/Flexion beidseits 0/0/130 Grad, Seitenbandführung stabil, kein Erguss, keine Schwellung, kein Druckschmerz im Bereich des medialen Gelenkspaltes, Zohlenzeichen positiv, Krepitatio retropatellar) und degenerative Veränderungen im Bereich beider Füße und Achillessehnen (rechtes Sprunggelenk Extension/Flexion 0/0/10 Grad rechts, 5/0/20 Grad links, eingeschränkte Extension des Großzehengrundgelenks) seien die Geh- und Stehfähigkeit eingeschränkt.
Der Beklagte hat unter Hinweis auf die Stellungnahme seiner Prüfärztin S.-S. vom 8. April 2014 gegen das Gutachten eingewendet: Dr. N. habe teilweise dreifach dieselbe Funktionseinschränkung unter verschiedenen Diagnosen bewertet. Dies entspreche nicht den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen. Die psychische Störung sei wegen der anhaltenden somatoformen Schmerzsymptomatik und der ängstlich-depressiven Beschwerden mit einem GdB von 40 zu bewerten. Dr. N. habe nun als Orthopäde das Fibromyalgiesyndrom mit einem Einzel-GdB von 40, das chronifizierte Schmerzsyndrom mit 30 sowie die chronische Myalgie und das depressive Syndrom jeweils mit einem Einzel-GdB von 20 bewertet. Damit habe er einen weitgehend identischen Sachverhalt bewertet, nämlich anhaltende Schmerzen ohne ausreichend organisches Korrelat. Auch der Bewertung der Hörminderung mit Tinnitus durch Dr. N. mit einem GdB von 10 könne nicht gefolgt werden, denn es lägen keine Befunde bzw. Ton- oder Sprachaudiogramme vor, die eine Besserung belegten. Sofern Dr. N. das DISH-Syndrom (Ossifikationsstörung der Wirbelkörper und der Bänder der Wirbelsäule) mit einem GdB von 30, das degenerative LWS-Syndrom mit 20, den Rundrücken als Haltungsschaden und die Osteochondrose mit eine GdB von 10 bewerte, sei eine Bewertung jeder Diagnose mit einem Einzel-GdB nicht vertretbar, weil sich diese Erkrankungen in ihren Auswirkungen auf die Funktionsfähigkeit der Wirbelsäule stark überschneiden würden. Der erhobene klinische Befund belege Bewegungseinschränkungen der Wirbelsäule ohne Wurzelreizerscheinungen und ohne sensomotorische Defizite und rechtfertige einen GdB von 10. Eine Erhöhung wegen der beklagten Schmerzen sei nicht möglich, da diese Beschwerden bereits Eingang in die Bewertung der Behinderung gefunden hätten. Für die Arthrosen der Hüft- und Kniegelenke habe Dr. N. einen GdB von jeweils 20 empfohlen, ohne eine relevante Funktionsbeeinträchtigung der Hüft- und Kniegelenke festgestellt zu haben. Auch der Bewertung der Colitis ulcerosa mit einem GdB von 20 könne nicht gefolgt werden, da zumindest seit 2011 eine colitis-spezifische Symptomatik nie beklagt worden und eine entsprechende Medikation auch nicht erforderlich gewesen sei. Mit einem BMI von über 30 sei auch eine Beeinträchtigung des Ernährungszustandes auszuschließen, so dass ein GdB von maximal 10 vorzuschlagen sei. Auch der Bewertung des Verdachts auf eine Colitis-assoziierte Polyarthritis durch Dr. N. mit einem Einzel GdB von 30 könne nicht zugestimmt werden, da Verdachtsdiagnosen nicht berücksichtigt werden dürften und anhand der im Februar 2014 erhobenen Befunde keine Funktionsbeeinträchtigung der Gelenke festgestellt werden konnten.
Auf Antrag der Klägerin hat der Senat eine ergänzende Stellungnahme des Dr. N. vom 18. Juni 2014 nach § 109 SGG eingeholt. Dieser hat ausgeführt: Es sei nicht richtig, dass mit dem Fibromyalgiesyndrom, dem chronifizierten Schmerzsyndrom und den Myalgien eine dreifache Berücksichtigung desselben Sachverhaltes unter verschiedenen Diagnosen erfolgt sei. Es handele sich um völlig unterschiedliche Krankheitsbilder. Analoges gelte für die Funktionsbeeinträchtigung der Wirbelsäule. Das DISH-Syndrom stelle nicht nur eine Ossifikationsstörung der Wirbelkörper und Bänder dar, sondern eine disseminierte skelettale Hyperostose, welches am gesamten Achsorgan und Bewegungsapparat im Bereich der Sehnenansätze am Knochen festzustellen sei. Im Bereich der Hüft- und Kniegelenke lägen relevante Arthrosen vor. Der BMI habe schließlich nichts mit der Colitis ulcerosa zu tun. Die assoziierte Polyarthritis sei letztendlich eine klinische Diagnose und aufgrund des bisherigen Krankheitsverlaufes als hochgradig wahrscheinlich einzuschätzen, weshalb eine entsprechende GdB-Bewertung erfolgt sei.
Der Beklagte hat auf weitere Stellungnahmen seiner Prüfärztin S.-S. vom 21. Juli und 25. August 2014 hingewiesen und ergänzend ausgeführt: Die identische Kernsymptomatik aller drei Erkrankungen (Fibromyalgie, chronifiziertes Schmerzsyndrom, chronische Myalgien) bestehe in nicht objektivierbaren anhaltenden Schmerzen. Die dreifache Berücksichtigung des Symptoms Schmerz sei nicht zu vertreten. Hinsichtlich der Colitis ulcerosa sei der Ernährungszustand ein wesentliches Beurteilungskriterium hinsichtlich der Schwere einer chronischen Darmerkrankung. Ergänzend hat die Ärztin zur Bewertung des DISH-Syndroms ausgeführt: Die Bewegungseinschränkungen seien Folgen der Ossifikationsstörung und der degenerativen Veränderungen. Die Auswirkungen überschnitten sich untrennbar und seien aus versorgungsärztlicher Sicht nicht getrennt zu bewerten. Dr. N. beurteile die Funktionsbeeinträchtigung der Wirbelsäule insgesamt mit einem GdB von 40. Dies entspreche schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten, die hier jedoch nicht vorlägen.
Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstands wird auf die Gerichts- und Verwaltungsakte des Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidungsfindung gewesen sind, Bezug genommen.
Die form- und fristgerecht eingelegte und gemäß § 143 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) auch statthafte Berufung der Klägerin ist unbegründet.
Die Klage gegen den Bescheid vom 23. Juli 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. März 2009 ist als Anfechtungs- und Verpflichtungsklage nach § 54 Abs. 1 SGG statthaft. Bei dieser Klage ist für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung maßgeblich (vgl. BSG, Urteil vom 12. April 2000 - B 9 SB 3/99 R - SozR 3-3870 § 3 Nr. 9 S. 22). Die Klage ist aber unbegründet, weil die Klägerin keinen Anspruch auf die Feststellung eines GdB von mehr als 40 hat.
Für den streitgegenständlichen Zeitraum gilt das am 1. Juli 2001 in Kraft getretene Neunte Buch des Sozialgesetzbuchs (SGB IX) über die Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen vom 19. Juni 2001 (BGBl. I S. 1046). Rechtsgrundlage für den von der Klägerin erhobenen Anspruch auf Feststellung eines GdB ist § 69 Abs. 1 und 3 SGB IX. Nach § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden auf Antrag des behinderten Menschen das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest. Diese Vorschrift knüpft materiell rechtlich an den in § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX bestimmten Begriff der Behinderung an. Danach sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Nach § 69 Abs. 1 Satz 4 SGB IX sind die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben der Gesellschaft als GdB nach Zehnergraden abgestuft festzustellen. Wenn mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben der Gesellschaft vorliegen, wird nach § 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt.
§ 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX ist durch das insoweit am 21. Dezember 2007 in Kraft getretene Gesetz vom 13. Dezember 2007 (a.a.O.) geändert worden. Nach der früheren Fassung der Vorschrift galten für den GdB die im Rahmen des § 30 Abs. 1 BVG festgelegten Maßstäben entsprechend. Nach dem Wortlaut der früheren Fassung des ebenfalls durch das Gesetz vom 13. Dezember 2007 geänderten § 30 Abs. 1 BVG war für die Beurteilung die körperliche und geistige Beeinträchtigung im allgemeinen Erwerbsleben maßgeblich, wobei seelische Begleiterscheinungen und Schmerzen zu berücksichtigen waren. Nach der Neufassung des § 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX gelten für den GdB die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 BVG und der aufgrund des § 30 Abs. 17 BVG erlassenen Rechtsverordnung entsprechend. Nach der damit in Bezug genommenen neuen Fassung des § 30 Abs. 1 BVG richtet sich die Beurteilung des Schweregrades – dort des "Grades der Schädigungsfolgen" (GdS) – nach den allgemeinen Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen in allen Lebensbereichen. Die hierfür maßgebenden Grundsätze sind in der am 1. Januar 2009 in Kraft getretenen Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2412) aufgestellt worden, zu deren Erlass das Bundesministerium für Arbeit und Soziales durch den dem § 30 BVG durch das Gesetz vom 13. Dezember 2007 angefügten Abs. 17 ermächtigt worden ist.
Nach § 2 VersMedV sind die auch für die Beurteilung des Schweregrades nach § 30 Abs. 1 BVG maßgebenden Grundsätze in der Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (Anlageband zu BGBl. I Nr. 57 vom 15. Dezember 2008, G 5702) als deren Bestandteil festgelegt und der Beurteilung der erheblichen medizinischen Sachverhalte mit der rechtlichen Verbindlichkeit einer Rechtsverordnung zugrunde zu legen. Zuvor dienten der Praxis als Beurteilungsgrundlage die jeweils vom zuständigen Bundesministerium herausgegebenen "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht", die nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts als vorweggenommene Sachverständigengutachten eine normähnliche Wirkung hatten (vgl. BSG, Urteil vom 18. September 2003 – B 9 SB 3/02 R – SozR 4-3800 § 1 Nr. 3 Rdnr. 12, m.w.N.). Die in den Anhaltspunkten (letzte Ausgabe von 2008) enthaltenen Texte und Tabellen, nach denen sich die Bewertung des GdB bzw. der Schädigungsfolge bisher richtete, sind – inhaltlich nahezu unverändert – in diese Anlage übernommen worden (vgl. die Begründung BR-Drucks. 767/08, S. 3 f.). Die im vorliegenden Fall heranzuziehenden Abschnitte aus den Anhaltspunkten in der Fassung von 2008 bzw. aus den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen sind nicht geändert worden. Im Folgenden werden daher die Vorschriften der Versorgungsmedizinische Grundsätze (VMG) zitiert. GdS und GdB werden dabei nach gleichen Grundsätzen bemessen. Die Begriffe unterscheiden sich lediglich dadurch, dass sich der GdS kausal auf Schädigungsfolgen und der GdB final auf alle Gesundheitsstörungen unabhängig von deren Ursachen auswirkt (VMG, Teil A, Allgemeine Grundsätze 2 a).
Der hier streitigen Bemessung des GdB ist die GdS-Tabelle der VMG (Teil B) zugrunde zu legen. Nach den allgemeinen Hinweisen zu der Tabelle (Teil B, Nr. 1 a) sind die dort genannten GdS-Sätze Anhaltswerte. In jedem Einzelfall sind alle die Teilhabe beeinträchtigenden Störungen auf körperlichem, geistigem und seelischem Gebiet zu berücksichtigen und in der Regel innerhalb der in Nr. 2 e (Teil A, Nr. 2 f) genannten Funktionssysteme (Gehirn einschließlich Psyche; Augen; Ohren; Atmung; Herz-Kreislauf; Verdauung; Harnorgane; Geschlechtsapparat; Haut; Blut und Immunsystem; innere Sektion und Stoffwechsel; Arme; Beine; Rumpf) zusammenfassend zu beurteilen. Die Beurteilungsspannen tragen den Besonderheiten des Einzelfalles Rechnung (Teil B, Nr. 1 a). a)
Für die gesundheitlichen Einschränkungen der Klägerin, die dem Funktionssystem "Gehirn einschließlich Psyche" zuzuordnen sind, ist ein GdB von 40 festzustellen.
Nach Teil B, Nr. 3.7 VMG werden leichtere psychovegetative oder psychische Störungen mit einem GdB von 0 bis 20 bewertet. Für stärker behindernde Störungen mit einer wesentlichen Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z.B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) ist ein Bewertungsrahmen von 30 bis 40 vorgesehen. Schwere Störungen (z.B. schwere Zwangskrankheit) mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten werden mit einem GdB von 50 bis 70 und mit schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten mit 80 bis 100 bewertet. Psychische Anpassungsschwierigkeiten, die einen Behinderungsgrad von 30 bis 40 rechtfertigen, sind nach dem Beschluss des Ärztlichen Sachverständigenbeirates (BMA am 18./19.03.1998 – zitiert nach Rohr/Sträßer, Teil B: GdS-Tabelle-19, 96. Lfg. – Stand Dezember 2011) durch Kontaktschwäche und/oder Vitalitätseinbuße gekennzeichnet. Dieses Kriterium ist zur differenzierenden Einschätzung von Anpassungsschwierigkeiten analog auch dann heranzuziehen, wenn die Symptomatik der psychischen Störungen ganz unterschiedlich ist (Beschluss des Ärztlichen Sachverständigenbeirats, BMA am 8./9.11.2000, Rohr/Sträßer, a.a.O., GdS-Tabelle-18). Mittelgradige soziale Anpassungsschwierigkeiten setzen neben den Auswirkungen im Berufsleben erhebliche familiäre Probleme durch Kontaktverlust und affektive Nivellierung voraus (Beschluss des Ärztlichen Sachverständigenbeirats, BMA am 18./19.03.1998 – zitiert nach Rohr/Sträßer, a.a.O., GdS-Tabelle-19).
Nach diesem Maßstab kann für die seelische Erkrankung der Klägerin seit der Antragstellung am 16. Juni 2008 maximal ein GdB von 40 festgestellt werden. Nach den übereinstimmenden Befunden ihrer behandelnden Ärzte, den vorliegenden Reha-Berichten und auch nach den im Rentenverfahren eingeholten Gutachten leidet sie an einer chronifizierten somatoformen Schmerzstörung sowie an Fibromyalgie. Darüber hinaus sind die depressiven Episoden und Anpassungsstörungen zu berücksichtigen. Diese Diagnosen finden sich bereits in den Jahren 2005 (Epikrise B. Klinik W.) und 2006 (Bericht T.) und werden durchgehend bis zu den Befundberichten der behandelnden Ärztin Dipl.-Med. K. (21. November 2012) und der Diplom-Psychologin K. (Bericht vom 29. Oktober 2012) durch zahlreiche Untersuchungen bestätigt. Für diese psychischen Störungen, denen kein organisches Korrelat zugrunde liegt, ist der Bewertungsrahmen von 30 bis 40 eröffnet. Denn die damit verbundenen Auswirkungen führen zu einer stärker behindernde Störung mit einer wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit. Die Klägerin ist durch diese Erkrankungen gleichermaßen in ihrer Lebens- und Freizeitgestaltung eingeschränkt. Auch ihre berufliche Tätigkeit hat sie krankheitsbedingt reduziert. Sie leidet unter ausgeprägten Schmerzen und Schlafstörungen. Im MDK-Gutachten vom 7. Oktober 2008 wurde über eine zunehmende Antriebs- und Interessenlosigkeit bei starkem Insuffizienzerleben und deutlichen Selbstwertzweifeln berichtet. Der Schlaf sei unzureichend und die Schlafqualität eingeschränkt. Es fehle an einer Tagesstruktur und einer zureichenden psychischen Belastbarkeit. Zeitnah dazu hat auch Dipl.-Med. K. im Dezember 2008 über eine psychosomatische Depression mit Angstzuständen, Panikattacken und Schlafstörungen und über in diesem Zusammenhang bestehende abdominelle Beschwerden, Nahrungsunverträglichkeiten und Rückenschmerzen berichtet. Eine fachärztliche Bestätigung der somatoformen Schmerzstörung erfolgte zunächst durch Dipl.-Med. S. am 6. April 2009 und dann gutachtlich im Rentenverfahren durch Dr. M. Auch Dr. K. hat gutachtlich im Rentenverfahren am 4. Januar 2011 die Auswirkungen der somatoformen Störung auf den Bereich des Gastrointestinaltraktes, der Kreislauforgane, der kognitiven Leistungsfähigkeit sowie in diesem Zusammenhang stehende Spannungskopfschmerzen bzw. Migräne festgestellt. Er hat ausgeführt, dass die Schmerzsituation durch die depressive Störung verschlimmert und intensiver wahrgenommen werde, was wiederum zur Aufrechterhaltung und Verschlimmerung der Depression führe. Die depressive Störung mit Rückzugtendenzen und Vermeidung von sozialen Kontakten erschwere es, auch an Wochenenden oder zu Urlaubszeiten einen Ausgleich zu finden. Kompensationsmöglichkeiten ihrer Erkrankung durch frühere Hobbys bestünden nicht mehr. Nach dem testpsychologische Zusatzgutachten des Dipl.-Psychologen K. vom 17. Juni 2010 führe die psychische Erkrankung auch zu deutlichen Defiziten in dem Bereich des verbalen Gedächtnisses und des klaren, logischen Schlussfolgerns. Auch die Auffassung, die Reaktion, die Konzentration und die Daueraufmerksamkeit hätten deutliche Defizite aufgewiesen und hätten weit unter dem von der Klägerin erwarteten Niveau gelegen. Die Diplom-Psychologin K. hat am 29. Oktober 2012 als Auswirkungen der mittelgradige depressive Episode sowie der Fibromyalgie tageweise bestehende Antriebs- und Konzentrationsstörungen und die eingeschränkte Fähigkeit mitgeteilt, längere Gespräche zu führen und an Treffen teilzunehmen. Auch die Konzentration beim Lesen sei beeinträchtigt. Unter Berücksichtigung der Gesamtheit der psychischen Beeinträchtigungen, die sich auch gegenseitig verstärken, erscheint es nach alledem angemessen, den Bewertungsrahmen für stärker behindernde psychische Störungen mit einem GdB von 40 auszuschöpfen. Da keiner der behandelnden Ärzte eine schwere psychische Störung diagnostiziert hat und auch damit verbundene mittelgradige soziale Anpassungsschwierigkeiten (erhebliche familiäre Probleme durch Kontaktverlust und affektive Nivellierung) nicht erkennbar sind, kann aber keine noch höhere Bewertung erfolgen. b)
Die Klägerin leidet außerdem an Funktionseinschränkungen der Wirbelsäule, die dem Funktionsbereich Rumpf zuzuordnen sind. Dafür ist ein GdB von 10 festzustellen.
Für Wirbelsäulenfunktionseinschränkungen sind die maßgeblichen Bewertungskriterien in Teil B, Nr. 18.9 VMG vorgegeben. Danach folgt der GdB bei Wirbelsäulenschäden primär aus dem Ausmaß der Bewegungseinschränkung, der Wirbelsäulenverformung, der Wirbelsäuleninstabilität sowie aus der Anzahl der betroffenen Abschnitte der Wirbelsäule. Nach Teil B, Nr. 18.9 VMG rechtfertigen erst mittelgradige funktionelle Auswirkungen von Wirbelsäulenschäden in einem Wirbelsäulenabschnitt, z.B. eine anhaltende Bewegungseinschränkung oder eine Instabilität mittleren Grades, einen Einzelgrad der Behinderung von 20. Funktionsstörungen geringeren Grades bedingen allenfalls einen Einzelgrad von 10. Schwere funktionelle Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades, häufig rezidivierende und Wochen andauernde ausgeprägte Wirbelsäulensyndrome) rechtfertigen einen Einzelgrad der Behinderung von 30, mittelgradige bis schwere in zwei Wirbelsäulenabschnitten einen GdB von 30 bis 40. Anhaltende Funktionsstörungen infolge Wurzelkompression mit motorischen Ausfallerscheinungen - oder auch intermittierenden Störungen bei einer Spinalkanalstenose - sind zusätzlich zu berücksichtigen.
Unter Anwendung dieses Bewertungsmaßstabs lassen sich über den gesamten Zeitraum seit der Antragstellung 2008 bis zum heutigen Tag nur geringe rein orthopädisch bedingte Funktionseinschränkungen festzustellen. Insoweit ist zu beachten, dass allein aufgrund der mit Bild gebenden Verfahren festgestellten Veränderungen die Annahme eines GdB nicht gerechtfertigt werden kann (Teil B, Nr. 18.1 VMG).
Bereits die von Dr. M. im Februar 2007 erhobenen Bewegungsmaße waren fast normgemäß (HWS: Rotation 50/0/75 Grad, Norm: Rotation rechts/links 60 bis 80/0/60 bis 80; LWS: FBA 10 cm, Schober 10/14,5 cm, Ott 30/33), sodass von orthopädischer Seite keine wesentliche Einschränkung vom ihm festgestellt wurde. Auch bei Untersuchung durch Dr. S. am 27. Juni 2007 hat dieser eine freie Beweglichkeit der Wirbelsäule festgestellt. Für die geltend gemachten Schmerzen hat auch dieser Arzt keine organische Erklärung finden können. Gegen zumindest mittelgradige Einschränkungen sprechen auch die während der Reha-Maßnahme in B. S. (stationären Aufenthalt vom 12. März bis 9. April 2008) erhobenen Wirbelsäulenbefunde (HWS: Seitneigung rechts/links 30/0/30 Grad, Norm: Seitneigung rechts/links 45/0/45, Rotation rechts/links 50/0/70 Grad; LWS: Seitneigung rechts/links 30/0/30 Grad, Norm: 30 bis 40/0/30 bis 40 Grad, Rotation rechts/links 45/0/45 Grad, Norm: 30 bis 40/0/30 bis 40 Grad, FBA 10 cm). Auch bei der Befunderhebung durch Dr. M. am 12. Oktober 2009 war die Wirbelsäule nicht im GdB-relevanten Maß eingeschränkt. Diese Einschätzung überzeugt aufgrund der von ihm erhobenen normgemäßen Bewegungsmaße (FBA 5 cm, Schober 10/15 cm, Ott 30/34 cm). Die degenerativen Verschleißerscheinungen, so auch die Bandscheibenvorwölbung an der HWS, wirkten sich nach seiner Befunderhebung auch nicht klinisch aus. Ebenso hat Dr. K. am 4. Januar 2011 lediglich einen FBA von 5 cm angegeben, aber keine weiteren orthopädischen Funktionseinschränkungen festgestellt. Auch die im Reha-Entlassungsbericht B. S. vom 11. März 2011 angegebenen wirbelsäulenbezogenen Diagnosen (sensibles-C6-Syndrom links bei Bandscheibenvorfall, LWS-Syndrom) haben im Bereich der HWS allenfalls zu geringen Bewegungseinschränkungen (HWS: Seitneige 30/0/30 Grad, Rotation 60/0/60 Grad) und im Bereich der BWS und LWS zu keinen Bewegungseinschränkungen geführt (FBA 10 cm, Schober 10/14 cm, Seitneige 30/0/30 Grad, Rotation 30/0/30 Grad). Erstmals werden durch den Entlassungsbericht der S. Kliniken S. vom 8. September 2011 funktionelle Defizite im Bereich der Wirbelsäule aufgezeigt. Zwar wurden die morphologischen Veränderungen im Bereich der LWS und die Bandscheibenveränderungen im Bereich der HWS wiederum als leichtgradig eingeschätzt. Doch wurde über funktionelle Befunde mit einer Insuffizienz der Tiefenstabilisation, generalisierte Koordinationsstörungen, eine muskuläre insuffiziente Stabilisierung der Lenden-Becken-Hüft-Region sowie eine Überbelastung der Schulter-Nacken-Region mit Triggerpunktbildung berichtet. Die dort erhobenen Bewegungsmaße zeigten allerdings weiterhin normgemäße Bewegungsmaße (HWS: Rotation 60/0/60 Grad; LWS: FBA 0), aber auch leichtgradige (BWS: Rotation 20/0/20 Grad) und vereinzelt schon mittelgradige Einschränkungen (HWS: Seitneige 20/0/10 Grad; LWS: Seitneigung 10/0/10 Grad). Allerdings konnten bei Untersuchung durch Dr. F. am 12. März 2012, also nach einem halben Jahr, diese Befunde nicht bestätigt werden. So war bei seiner Untersuchung die Beweglichkeit des Kopfes wiederum frei. Darüber hinaus hat er auf ein beschwerdefixiertes und demonstratives Verhalten der Klägerin hingewiesen. Auch in der Folgezeit konnten durch die behandelnden Ärzte keine zumindest GdB-relevanten Einschränkungen bestätigt werden. Dr. A. hat als behandelnder Arzt mit Befundbericht vom 9. Oktober 2012 über eine normale altersentsprechenden Beweglichkeit und auch altersentsprechende degenerative Veränderungen an HWS und LWS berichtet. Zusammenfassend hat er Funktionseinschränkungen aus orthopädischer Sicht ausgeschlossen. Auch der Neuro-Chirurg A. M. hat am 9. Oktober 2012 zwar einen Bandscheibenvorfall im Bereich C 5/6, eine Neuroforamenstenose im Bereich L 4/5 beidseits sowie eine Spondylosis deformans im Bereich HWK 5/6 diagnostiziert. Doch die von ihm aufgrund dieser Erkrankungen angegebenen Bewegungsmaße zeigen insgesamt nur leichte Einschränkungen (HWS: Rotation 60/0/60 Grad, Seitneigung 20/0/10 Grad; LWS: Seitneigung rechts/links 10/0/10 Grad, Schober 10/13, FBA 0 cm), sodass in Zusammenschau aller Befunde auch nur von leichtgradigen funktionellen Auswirkungen im Bereich der Wirbelsäule ausgegangen werden kann, die einen GdB von 10 rechtfertigen.
Darüber hinaus liegen keine neurologischen Defizite vor, die erhöhend zu berücksichtigen sind. Auch motorische Störungen oder Beeinträchtigungen (dazu VMG, Teil B, Nr. 3.10) sind nicht nachgewiesen. Dies hat zunächst Dr. S. bei der Untersuchung der Klägerin am 27. Juni 2007 festgestellt. Auch Dr. M. hat am 12. Oktober 2009 gutachtlich Nervenwurzelreizerscheinungen ausgeschlossen. Die leichte Neuroforamenstenose rechts war auch nach dem Bericht der S. Kliniken S. vom 8. September 2011 ohne entsprechende neurologische Symptomatik. Schließlich haben auch Dr. F. (Bericht vom 12. März 2012) und Dr. A. (Bericht vom 9. Oktober 2012) neurologische Defizite ausdrücklich ausgeschlossen.
Der gutachtlichen Bewertung des Dr. N. kann der Senat nicht folgen. Sie steht im Gegensatz zu den zahlreichen anderen Einschätzungen und wird auch nicht durch den von ihm erhobenen Befund gestützt. Allein aufgrund der von Dr. N. angeführten, zum Teil auch erstmals erwähnten Diagnosen (z. B. DISH-Syndrom) kann keine Bewertung mit einem GdB erfolgen. Denn GdB-relevant sind die damit verbundenen Funktionseinschränkungen und die sich daraus resultierenden Teilhabebeeinträchtigungen. So lassen die von Dr. N. angegebenen Bewegungsmaße keine Bewertung als zumindest mittelgradige Auswirkungen zu. Die von ihm erhobenen Bewegungsmaße der HWS (Rotation links/rechts 1/3/0/1/3, Seitneigung links/rechts 1/3/0/2/3) zeigen allenfalls geringe Einschränkungen, die der LWS (Seitneigung rechts/links 25/0/25 Grad, Rotation links/rechts 30/0/30 Grad) sind fast normgemäß. Da Dr. N. keinen GdB für das Funktionssystem Gehirn einschließlich Psyche, sondern nur einen für das Funktionssystem Rumpf vorgeschlagen hat, drängt sich der Verdacht auf, dass er die gesamte somatoforme Schmerzproblematik, die auch wesentliche Auswirkungen im Bereich der Wirbelsäule entfaltet, mit in das Funktionssystem Rumpf verlagert hat. Eine doppelte Bewertung derselben Funktionsstörung ist allerdings unzulässig. c)
Darüber hinaus ist für das Funktionssystem Ohren nach dem Arztbrief des Facharztes für HNO-Heilkunde Dipl.-Med. M. unter Berücksichtigung des Ton- und Sprachaudiogramms vom 29. Mai 2008 aufgrund der beidseitigen Innenohrschwerhörigkeit ein GdB von 20 nach Teil B, Nr. 5.2. VMG anzunehmen. Dies ist zwischen den Beteiligten auch unstrittig und wird auch nicht durch die gutachtlichen Ausführungen des Dr. N. in Frage gestellt. Dieser hat zwar für die Hörminderung einschließlich Tinnitus nur einen GdB von 10 vorgeschlagen. Doch lagen dem keine eigenen Befunderhebungen zugrunde, sodass dieser Einschätzung (für die auch jegliche anderweitige Begründung fehlt) nicht gefolgt werden kann. d)
Weitere Funktionseinschränkungen, die mit einem Einzel-GdB von 10 zu bewerten sind, liegen nicht vor.
Insbesondere liegen keine weiteren orthopädischen Funktionseinschränkungen vor, die mit einem GdB zu bewerten sind. Die geringen Funktionsstörungen an den Hüft-, Knie- und Schultergelenken rechtfertigen keinen GdB. Dr. M. hat am 16. Februar 2007 eine freie Beweglichkeit der oberen Extremitäten festgestellt. Auch die von ihm erhobenen Bewegungsmaße der unteren Extremitäten zeigten keine Einschränkungen (Hüftgelenke: Extension/Flexion: 0/0/130 Grad beidseits; Kniegelenke: Extension/Flexion: 0/0/140 Grad). Im Reha-Entlassungsbericht B. S. vom April 2008 wurde zwar eine beginnende Coxarthrose beidseits diagnostiziert, doch wurden keine damit verbundenen Funktionseinschränkungen festgestellt (Hüftgelenke: beidseits Extension/Flexion 0/0/130 Grad). Auch die Kniegelenke waren frei beweglich. Dr. M. hat ebenso im Oktober 2009 festgestellt, dass die Schulter-, Ellenbogen-, Hand- und Fingergelenke und auch die Hüft-, Knie-, Fuß- und Zehengelenke weder in Kraft noch in Beweglichkeit beeinträchtigt gewesen seien. Auch während der Reha-Maßnahme in B. S. (März 2011) waren alle obere Extremitäten frei und schmerzlos und auch die Kniegelenke frei beweglich (Extension/Flexion 0/0/140 Grad). Die dort festgestellte leichte Einschränkung der Hüftgelenke (beidseits Extension/Flexion 0/0/110 Grad) rechtfertigt noch keinen GdB. Außerdem konnte diese Einschränkung während des Aufenthalts in Sommerfeld im September 2011 nicht bestätigt werden (Extension/Flexion beidseits 0/0/120 Grad). Im Übrigen war auch bei der Befunderhebung in S. die Schulter-, Ellenbogen-, Hand- und Kniegelenksbeweglichkeit (Extension/Flexion beidseits 0/0/130 Grad) unauffällig. Zwar hat der Neurochirurg A. M. am 9. Oktober 2012 über seit Ende 2010 bestehende verstärkte Schmerzen im HWS-Bereich mit einer Ausstrahlung in beide Arme und einen Kraftverlust der linken Hand mit Kribbeln in beiden Händen berichtet. Doch hat auch er keine objektiven Bewegungseinschränkungen und Messungen der Kraftgrade mitgeteilt. Außerdem ist diesem Zusammenhang der Bericht des Dr. F. vom 12. März 2012 zu berücksichtigen, wonach die Klägerin in unterschiedlichen Untersuchungssituationen und je nach Beanspruchung und Ablenkung unterschiedliche Kraftminderungsgrade angegeben hat. Sie habe ihre Arme ohne Probleme bis zum Moment der Erinnerung an die chronischen Schmerzen in allen Ebenen gegen Widerstand bewegt. Nach seiner Einschätzung sei von einem beschwerdefixierten und demonstrativen Verhalten auszugehen. Schließlich hat Dr. A. mit Befundbericht vom 9. Oktober 2012 generell orthopädische Funktionseinschränkungen ausgeschlossen.
Sofern demgegenüber Dr. N. über weitere Einschränkungen berichtet und entsprechende GdB-Bewertungen vorgenommen hat, stehen auch diese Ausführungen im Widerspruch zu den zahlreichen, von unterschiedlichen Ärzten vorgenommenen Befunderhebungen. Hinsichtlich der eingeschränkten Schultergelenksbeweglichkeit ist wiederum auf Dr. F. zu verweisen, wonach die Klägerin bis zum Moment der Erinnerung an die chronischen Schmerzen in allen Ebenen gegen Widerstand bewegt hat. Die von Dr. N. vorgenommene Bewertung der Cox- und Gonarthrose mit einem GdB von jeweils 20 wird auch nicht durch seine Befunde getragen. Erst bei einem Bewegungsmaß von 0/10/90 Grad mit einer entsprechenden eingeschränkten Dreh- und Spreizfähigkeit ist eine GdB-relevante Einschränkung vorhanden (Teil B, Nr. 18.14 VMG). Eine solche Einschränkung liegt auch nach der Befunderhebung durch Dr. N. nicht vor (0/0/100 Grad), sodass auch nicht allein aufgrund der Coxarthrose eine GdB-Bewertung mit 20 vorgenommen werden kann. Denn die mit der Arthrose verbundenen Schmerzen haben bereits bei der somatoformen Schmerzstörung Berücksichtigung gefunden. Gleiches gilt für die Gon- und Retropatellararthrose, wobei auch die von Dr. N. erhobenen Bewegungsmaße einen Normbefund zeigen (Extension/Flexion beidseits 0/0/130 Grad). Im Übrigen hat er eine stabile Seitenbandführung festgestellt und einen Erguss, Schwellungen und einen Druckschmerz im Bereich des medialen Gelenkspaltes ausgeschlossen. Schließlich rechtfertigen die von Dr. N. festgestellten Bewegungseinschränkungen im Bereich beider Füße und Achillessehnen keinen GdB. Er hat lediglich auf die Bewegungseinschränkung ohne Angabe eines entsprechenden organischen Korrelats abgestellt. In den zahlreichen anderen Befunden sind derartige Einschränkungen gar nicht erwähnt. Eine dauerhafte orthopädische Behinderung, die mit einem GdB zu bewerten ist, kann allein aufgrund der Bewegungsangaben nicht angenommen werden. Denn aus den medizinischen Unterlagen ist wiederholt auf die allein schmerzbedingten Bewegungseinschränkungen sowie auf das demonstrative Verhalten verwiesen worden. Gerade im Hinblick auf die Großzehen- und Fußheberschwäche sind auch in den unterschiedlichen Befunden nie organische Erklärungen angegeben worden.
Bei der Klägerin liegen auch keine internistischen Erkrankungen vor, die einen GdB rechtfertigen. Die chronische Gastritis ist nach Teil B, Nr. 10.2.1 VMG ohne relevante Funktionseinschränkungen nicht mit einem GdB zu bewerten. Nach Behandlung der Colitis ulcerosa sind keine bestehenden Beeinträchtigungen, insbesondere des Kräfte- und Ernährungszustandes vorhanden, sodass auch nach Teil B, Nr. 10.2.2 VMG kein GdB festzustellen ist. Die bestehenden abdominellen Beschwerden und Nahrungsunverträglichkeiten sind nach Ausführungen der Fachärztin für Innere Medizin Dipl.-Med. K. vielmehr Zusammenhang mit der somatoformen Störung zu sehen und bei Bewertung diese Erkrankung bereits berücksichtigt worden. Ebenso sind die Gesichtsschmerzen nicht mit einem eigenen GdB zu bewerten. Dr. M. hat insoweit festgestellt, dass der berichtete Gesichtsschmerz nach Ausdehnung, geschildertem Auslöser sowie Schmerzcharakteristik untypisch für eine Trigeminusneuralgie sei und er auch während der Untersuchung keine typischen Schmerzattacken beobachtet habe. Er hat daher die Gesichtsschmerzen als Schmerzsyndrom der somatoformen Schmerzstörung eingeordnet. Diese Einordnung erscheint wegen der fehlenden neurologischen Bestätigung nachvollziehbar, zumal auch Dr. K. von einem atypischen Gesichtsschmerz berichtet hat. Aufgrund der Asthmaerkrankung kann nach Teil B, Nr. 8.5 kein GdB festgestellt werden, da GdB-relevante Einschränkungen nicht dokumentiert sind.
Auch kann aufgrund der Hysterektomie bei der 55-jährigen Klägerin nach Teil B, Nr. 14.2 VMG kein GdB festgestellt werden, da nicht mehr von einem jüngeren Alter mit bestehendem Kinderwunsch ausgegangen werden kann.
Schließlich können aufgrund der aus der Vielzahl der von Dr. N. angegebenen Diagnosen keine weiteren Behinderungen festgestellt werden. Die damit verbundenen Funktionseinschränkungen wurden bereits erfasst. e)
Da bei der Klägerin Einzelbehinderungen aus verschiedenen Funktionssystemen mit einem messbaren GdB vorliegen, ist nach § 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX der Gesamtbehinderungsgrad zu ermitteln. Dafür sind die Grundsätze nach Teil A, Nr. 3 der VMG anzuwenden. Nach Nr. 3c ist in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Einzelgrad bedingt und dann zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten Zehnergrad ein oder mehr Zehnergrade hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden.
Danach kommt ausgehend von dem Einzel-GdB von 40 für das Funktionssystem "Gehirn einschließlich Psyche" keine weitere Erhöhung aufgrund der Funktionsstörungen im Bereich der Ohren und des Rumpfes in Betracht. Dabei ist zu beachten, dass nach Teil A, Nr. 3 ee VMG auch Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 20 als leichte Funktionsstörungen angesehen werden, die es vielfach nicht rechtfertigen, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen. Nach diesem Maßstab führt die Einschränkung aufgrund der Hörminderung, die mit einem GdB von 20 zu bewerten ist, nicht zur Verstärkung des Gesamtausmaßes der Behinderung. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die psychische Störung mit der Schwerhörigkeit in keinem Zusammenhang steht und die Kommunikationsmöglichkeit der Klägerin mit den Hörhilfen gewährleistet ist. Die mit einem Einzel-GdB von 10 zu bewertenden Gesundheitsstörungen im Bereich des Rumpfes erhöhen nicht das Ausmaß der Gesamtbeeinträchtigung (dazu VMG, Teil A Nr. 3 ee). Hier liegt auch kein Ausnahmefall vor, denn die Auswirkungen in den Funktionssystemen "Gehirn einschließlich Psyche" und "Rumpf" schränken jeweils gleichermaßen aufgrund der damit verbundenen Schmerzen die Bewegungsfähigkeit sowie die Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit der Klägerin. Eine Doppelbewertung der Auswirkungen ist nicht sachgerecht.
Im Übrigen widerspräche die Feststellung der von der Klägerin begehrten Schwerbehinderteneigenschaft dem nach Teil A 3 VMG zu berücksichtigenden Gesamtmaßstab. Die Schwerbehinderteneigenschaft kann nur angenommen werden kann, wenn die zu berücksichtigende Gesamtauswirkung der verschiedenen Funktionsstörungen die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft so schwer wie etwa die vollständige Versteifung großer Abschnitte der Wirbelsäule, der Verlust eines Beins im Unterschenkel oder eine Aphasie (Sprachstörung) mit deutlicher Kommunikationsstörung beeinträchtigen. Derartig schwere Funktionsstörungen liegen bei der Klägerin nicht vor.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.